Recht auf Vergessen werden…Right to be forgotten

Recht auf Vergessenwerden

Vollzitat von: http://de.wikipedia.org/wiki/Recht_auf_Vergessenwerden

Das Recht auf Vergessenwerden (englisch: Right to be forgotten) soll sicherstellen, dass digitale Informationen mit einem Personenbezug nicht dauerhaft zur Verfügung stehen. Das Recht auf Vergessenwerden wird zuweilen verkürzt und unrichtig als „Recht auf Vergessen“ bezeichnet. Weil sich das Recht auf elektronisch gespeicherte Daten bezieht, spricht man auch vom „digitalen Radiergummi“.[1]

Der Begriff des Rechts auf Vergessenwerden geht auf den Rechts- und Politikwissenschaftler Viktor Mayer-Schönberger zurück. Er schlägt vor, elektronisch gespeicherte Informationen mit einem Ablaufs- oder Verfallsdatum auszustatten. Nach Ablauf dieses Datums soll die Information durch ein Programm oder das Betriebssystem des Computers automatisch gelöscht werden.[2]

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Regelungen

Derzeit ist das Recht auf Vergessenwerden nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Die Datenschutzgesetze – zum Beispiel in Deutschland – enthalten lediglich Bestimmungen, unter denen Voraussetzungen personenbezogene Daten zu löschen sind.

Europäische Union

2011 wurde Mayer-Schönbergers Ansatz von der Europäischen Kommission aufgegriffen, die das Recht auf Vergessenwerden und Löschung in ihre Pläne zu einer EU-Datenschutzreform aufnahm. Die von der Kommission vorgeschlagene Datenschutz-Grundverordnung soll eine entsprechende Regelung enthalten. In der Begründung des Verordnungsentwurfs heißt es:

„Jede Person sollte […] ein ‚Recht auf Vergessenwerden’ [besitzen], wenn die Speicherung ihrer Daten unter Verstoß gegen die Verordnung erfolgt ist. Insbesondere sollten betroffene Personen Anspruch darauf haben, dass ihre personenbezogenen Daten gelöscht und nicht weiter verarbeitet werden, wenn sich die Zwecke, für die die Daten erhoben wurden, erübrigt haben, wenn die betroffenen Personen ihre Einwilligung in die Verarbeitung widerrufen oder Widerspruch gegen die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten eingelegt haben oder wenn die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten aus anderen Gründen unter Verstoß gegen die Verordnung erfolgt ist. Dieses Recht ist besonders wichtig in Fällen, in denen die betroffene Person ihre Einwilligung noch im Kindesalter gegeben hat und insofern die mit der Verarbeitung verbundenen Gefahren nicht in vollem Umfang absehen konnte und die Daten – besonders die im Internet gespeicherten – später löschen möchte. […] Um dem ‚Recht auf Vergessenwerden’ im Netz mehr Geltung zu verschaffen, sollte das Recht auf Löschung so weit gehen, dass ein für die Verarbeitung Verantwortlicher, der die personenbezogenen Daten öffentlich gemacht hat, die Pflicht hat, Dritten, die diese Daten verarbeiten, mitzuteilen, dass eine betroffene Person die Löschung von Links zu diesen Daten oder von Kopien oder Reproduktionen dieser Daten verlangt. […]“

Europäische Kommission: Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung, Erwägungsgründe 53 und 54.[3]

Der Entwurf der Europäischen Kommission geht dabei nicht soweit auf den Ansatz von Viktor Mayer-Schönberger ein, jede Datei präventiv mit einer Lebensdauer zu versehen. Vielmehr ist eine Verstärkung der Datenschutz-Grundsätze der informationellen Selbstbestimmung und der Zweckbindung der Datenverarbeitung gemeint.

Weiter bezieht der Entwurf auch eine Informationspflicht Dritter mit ein, sofern eine betroffene Person die Löschung dieser Daten verlangt:

„Hat der in Absatz 1 [Gründe des Zutreffen] genannte für die Verarbeitung Verantwortliche die personenbezogenen Daten öffentlich gemacht, unternimmt er in Bezug auf die Daten, für deren Veröffentlichung er verantwortlich zeichnet, alle vertretbaren Schritte, auch technischer Art, um Dritte, die die Daten verarbeiten, darüber zu informieren, das seine betroffene Person von ihnen die Löschung aller Querverweise auf diese personenbezogenen Daten oder von Kopien oder Replikationen dieser Daten verlangt. Hat der für die Verarbeitung Verantwortliche einem Dritten die Veröffentlichung personenbezogener Daten gestattet, liegt die Verantwortung dafür bei dem für die Verarbeitung Verantwortlichen.“

Europäische Kommission: Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung, Artikel 17, Abs. 2

Das Recht wurde für die Abstimmung am 21. Oktober 2013 aus dem Entwurf entfernt[4] und auf das Recht auf Löschung beschränkt.

Deutschland

In Deutschland gibt es kein ausdrückliches gesetztes Recht auf Vergessenwerden. Die Datenschutzprinzipien der Datensparsamkeit und Datenvermeidung und der Informationelle Selbstbestimmung gehen jedoch auf die gleichen Ansätze zurück und sind gesetzlich im Bundesdatenschutzgesetz geregelt. So gibt es gesetzliche Regelungen zur Speicherdauer von Straftaten und Aufbewahrungsfristen für Informationen (Dokumente, Protokolle). Diese Aufbewahrungsfristen sorgen aber nicht immer dafür, dass die entsprechenden Informationen automatisch oder tatsächlich nach dem Ablauf einer bestimmten Zeit gelöscht werden.

Fallbeispiele

Europäische Union

Am 13. Mai 2014 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Grundlage der Richtlinie 95/46/EG der Kommission eine Klage gegen Google. Er urteilte, dass Personen unter bestimmten Voraussetzungen die Tilgung von Links mit auf sie bezogenen Daten, zum Beispiel auf alte Presseartikel mit nicht mehr aktuellen oder relevanten Informationen, aus den Ergebnislisten von Suchmaschinen verlangen können. Bei Personen des öffentlichen Lebens gilt dies nur eingeschränkt, hier muss zwischen ihrem persönlichen Recht und dem Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen abgewogen werden. Das Gericht stuft Suchmaschinen nicht mehr nur als Transporteure von Inhalten ein, sondern als Datenverarbeiter, die für verbreitete Inhalte mitverantwortlich sind. Die Presse dagegen ist privilegiert und muss solche Inhalte nicht aus ihrem Archivangebot entfernen.[5] EuGH-Vizepräsident Koen Lenaerts erläuterte im Interview mit der taz[6], dass der Gerichtshof kein „Recht auf Vergessenwerden“ erfunden habe. Er habe nur eine Interessenabwägung auf Grundlage der EU-Datenschutz-Richtlinie vorgenommen. Da das Urteil nur für den Bereich der EU-Mitgliedsstaaten bindend ist, sind zudem die beispielsweise auf google.de nicht mehr sichtbaren Suchergebnisse bei einer Suche über die Website google.com je nach Spracheinstellung weiterhin auffindbar.[7]

Deutschland

Das Internet-Phänomen Techno Viking wurde im Juli 2000 auf einer Technoparade gefilmt und 2006 im Internet auf YouTube hochgeladen.[8] Es zeigt einen leicht bekleideten Mann, der zu Technomusik tanzt. 2009 begann ein Rechtsstreit zwischen dem Tänzer und Kameramann Matthias Fritsch.[9] Am 30. Mai 2013 entschied das Berliner Landgericht, dass dem Tänzer ein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung des Videos und der Merchandising-Artikel zusteht, da er nicht ausdrücklich in die Veröffentlichung eingewilligt hat.[10] Obwohl Fritsch dem nachkam, ist das Video heute noch über diverse Portale abrufbar.

Kritik

Im Januar 2012 bezeichnete der damalige Bundesvorsitzende der deutschen Piratenpartei, Sebastian Nerz, die Pläne der Europäischen Kommission zum Recht auf Vergessenwerden als naiv. Die Internetwirtschaft sei zu kreativ, um sich gängeln zu lassen.[11]

Ilse Aigner, die deutsche Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, begrüßte die Erwägungen der EU-Kommission zwar grundsätzlich, jedoch dürfe das Recht auf Vergessenwerden nicht dazu führen, dass die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werde. Nachrichtenredaktionen dürften nicht auf Klage von Einzelnen verpflichtet werden, Artikel aus den Archiven zu löschen.[12]

Lila Tretikov, Executive Director der Wikimedia Foundation, kritisierte[13] das Urteil, da der Europäische Gerichtshof hiermit seine Verantwortung eines der wichtigsten und universellen Menschenrechte, das Recht, „Informationen zu suchen und zu finden“ zu wahren, selbst beschneide. Dadurch dass das „Recht auf Vergessenwerden“ keine öffentlichen Erklärung oder Begründung verlange und keinem juristischen Prozess unterliege, könnten unwiderrufliche „Erinnerungslücken“ entstehen, die unangenehme Tatsachen dokumentierten.

Jimmy Wales, Hauptgründer von Wikipedia, bezeichnete das „Recht auf Vergessenwerden“ als „zutiefst unmoralisch“, nachdem die Wikimedia Foundation Aufforderungen erhalten hatte, Inhalte zu entfernen[14], und als „albern“.[15]

Technische Umsetzung

Technisch könnte das Recht auf Vergessenwerden durch Software wie X-pire! verwirklicht werden. Aufgrund der umständlichen und kostenpflichtigen organisatorischen Umsetzung wird diese Software als Totgeburt betrachtet.[16] Das grundlegende Prinzip des Digital Rights Management (DRM) steht weiter in der Diskussion.

Besonders schwierig ist es, Kopien von personenbezogenen Daten (z. B. durch Bildschirmfotos) und deren Verbreitung im Internet zu verhindern. Dabei ist auch der sogenannte Streisand-Effekt zu bedenken.

Google setzt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof seit Juni 2014 technisch um. Dazu wurde ein Antragsformular veröffentlicht, in dem man die Löschung von URLs aus den Suchergebnissen beantragen kann.[17] Die fraglichen Links werden von Google nicht gelöscht, sondern nur von der jeweiligen Suchergebnisseite ausgeblendet. Am Ende der Seite steht dann der Hinweis: „Einige Ergebnisse wurden möglicherweise aufgrund der Bestimmungen des europäischen Datenschutzrechts entfernt.“ Online-Medien wie Spiegel und The Guardian berichten ab Juli 2014 über die Ausblendung von einzelnen Artikeln in den Google Suchergebnissen.[18][19] Außerdem hat Google einen Beirat mit externen Experten aus europäischen Ländern gegründet, der bei der Erarbeitung eines Lösch-Leitfadens beraten soll. Aus Deutschland gehört dem Gremium die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an.[20]

Literatur

  • Viktor Mayer-Schönberger: Delete. Die Tugend des Vergessens in digitalen Zeiten. Berlin University Press, Berlin 2010, ISBN 978-3-940432-90-2.
  • Viktor Mayer-Schönberger: Was uns Mensch sein lässt – Anmerkungen zum Recht auf Vergessen. In: Datenschutz Nachrichten. Nr. 1, 2012, S. 9–11.
  • Norbert Nolte: Zum Recht auf Vergessen im Internet. Vom digitalen Radiergummi und anderen Instrumenten. In: Zeitschrift für Rechtspolitik. Nr. 8, 2011, S. 236–240.
  • Silke Jandt, Olga Kieselmann, Arno Wacker: Recht auf Vergessen im Internet. In: Datenschutz und Datensicherheit 4/2013, S. 235 ff.
  • Hannes Federrath, Karl-Peter Fuchs, Dominik Herrmann, Daniel Maier, Florian Scheuer, Kai Wagner: Grenzen des „digitalen Radiergummis“. In: Datenschutz und Datensicherheit 6/2011, S. 403–407.
  • Gerrit Forst: Das „Recht auf Vergessenwerden“ der Beschäftigten. In: Betriebs-Berater. Nr. 38, 2014, S. 2293–2298.
  • Gerrit Hornung, Kai Hofmann: Ein „Recht auf Vergessenwerden“? Anspruch und Wirklichkeit eines neuen Datenschutzrechts. In: Juristenzeitung 2013, 163–170.
  • Dinah Huerkamp: Vergessen als Gefahr und Gnade – Das Recht auf Vergessen(werden) und seine Bedeutung für den Jugendschutz. In: JMS-Report 4/2013, S. 2 ff.
  • Martin Diesterhöft: Das Recht auf medialen Neubeginn. Die „Unfähigkeit des Internets zu vergessen“ als Herausforderung für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Duncker & Humblot, Berlin 2014, ISBN 978-3428142927.

Weblinks

Fußnoten

hier kann ihnen vielleicht geholfen werden : 

https://forget.me/

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